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Vom Fühlen und Leiden (Teil 2) - ein Experiment
vom Mi, 08. Juli 2015, Susanne Langner

Wollen Sie mal versuchen, Ihren Schmerz gezielt einzuladen und sich voll darauf zu konzentrieren, um zu schauen, was dann passiert? So als Experiment?
Nein, ich bin nicht verrückt und ich halte Sie auch nicht für masochistisch. Ich meine das trotzdem ernst. Doch für Versuchzwecke reicht ein "harmloser" Schmerz. Zum Beispiel einer, wenn man barfuß auf einen harten Gegenstand tritt. Kennen Sie den Schmerz?

Dazu könnten Sie auf dem Fußboden etwas hartes, aber ungefährliches legen, etwa einen Besenstiel. Dann stellen Sie Ihren bloßen Fuß darauf und suchen die Stelle unter dem Fuß, die empfindlicher ist (das ist die Innenseite ungefähr in der Mitte des Fußes). Sie steigern den Druck und spüren den Schmerz. Unser Experiment kann beginnen.

  1. Automatische Reaktion beobachten
    Wenn Sie also so mit Ihrem bloßen Fuß auf einem harten Besenstiel stehen und es schmerzt, was passiert in Ihrem Inneren? Wie fühlen Sie sich?
    Wenn Sie so sind, wie die meisten Menschen, so sind Sie unzufrieden, lehnen Ihren Schmerz innerlich ab, verziehen Ihr Gesicht und versuchen den Schmerz "nicht zu spüren". Sie sind frustriert und unglücklich. Ihr Körper ist angespannt. Sie leiden!

  2. Umkehrung
    Jetzt können Sie es wagen, etwas ganz anders, als gewohnt, zu machen. Begegnen Sie dem Schmerz mit Neugier und konzentrieren Sie sich darauf, ihn möglichst genau wahrzunehmen. Versuchen Sie, ihn so intensiv, wie nur möglich, zu fühlen. Wie ist seine Beschaffenheit? Wo fängt er an, wohin strahlt er aus, wie verändert er sich, wo hört er auf? Schaffen Sie es, ihn gar in Ihrem gesamten Bein wahrzunehmen?
    Bleiben Sie eine Weile bei Ihrer Beobachtung und achten Sie auf Facetten des Schmerzes und Veränderungen im Laufe der Zeit.
    Wie geht es Ihnen jetzt? Haben Sie einen Unterschied in Ihrem Wohlbefinden gemerkt?
    Vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie mir - vielleicht spüren Sie zwar den Schmerz im Fuß, das sogar sehr genau, scheinen aber trotzdem weniger zu leiden. Sie fühlen ihn zwar, sind aber friedlich, entspannt und ruhig dabei. Der Schmerz scheint halb so schlimm und stört nicht weiter.

Was ist da passiert?

Dadurch, dass Sie sich auf den Schmerz konzentrieren wollten, ist die übliche Abwehrreaktion ausgeblieben, welche Unzufriedenheit, Verspannung, inneres Hadern und Unglücklichsein verursacht.
Sie haben einfach nur den puren Schmerz wahrgenommen (und dieser scheint so pur nicht sehr beeindruckend zu sein), ohne das ganze unnötige Leid, das wir gewöhnlich dem Schmerz noch hinzufügen.

 

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